aus Berlin calling wurde ein lautes Rufen. was ich damals noch nicht wusste, war, dass wir hier eine Setzung machten. etwas, das schon viel früher begonnen hatte, wurde langsam konkret und wir sprachen später von einem Anfang. ein Anfang, der in einer Bar, die Joker heißt, spielte. hier waren wir. beobachteten die Leute um uns herum. sahen die Reste der heutigen Veranstaltung. wir waren auch ein Rest. ein Rest, der auf dem Heimweg von einer weitere Bar, direkt an der Birkenstraße, die heute schon Feierabend gemacht hatte, nicht gleich nach Hause gehen wollte und auf eben diese Kneipe gestoßen war.
kaum zur Tür hinein, kamen zwei Männchen auf uns zu. sie trugen weite Mäntel und moderne Brillen. der eine erzählte von seinem Sieg. er hatte beim Bingo gewonnen. dann begann er uns auszufragen, woher wir kamen und was wir hier wollten, wie lange wir schon in Berlin wohnten. die beide wohnten da drüben. »im Sprengelkiez?« ein Duo waren sie, das sah man. der eine stand hinter dem anderen – etwas versetzt. ich saß neben meiner Begleitung. sie sprach, bot den anderen die Stirn. ich, schweigend, erkannte DIE SPRACHLOSIKGEIT DER FRAUEN IST EINE ANDERE ALS DIE DER MÄNNER. ich erkannte auch seine Fahrigkeit mit der Wahrheit und die Notwendigkeit dieser Lockerheit. man maß sich. in diesem Fall maß man sich mit Ortskennentis. man erzählte sich gegenseitig von der allen bekannten Zwischenmietsodyssee, die wohl jeder, der hier wohnt, schon mal durchlaufen hat und auf der meine Begleitung und ich uns aus unterschiedlichen Gründen auch gerade befanden. die Männer webten ein Netz aus Referenzen und ich war schon ein bisschen betrunken und stieg ein und bot unserem Gegenüber meine Ortskenntnis, an der er sich messen konnte. »das hat man dir aberzogen.« so in etwa sollte C dann, einen Monat später, im Auto zu mir sagen.
die zwei Männner gingen – nicht bevor sie uns Tips gegeben hatten, was man an meinem neuen Wohnort alles tun konnte. man konnte zum Beispiel im Sonnenstudio Cocktails trinken. »das ist ja toll! und deine Exfreundin hat da um die Ecke gewohnt?« SO WARD EINE FRAU, MIT DER MAN ZUSAMMEN WAR ETWAS, MIT DEM MAN SICH NOCH LANG DANACH SCHMÜCKEN KONNTE. ich überlegte, ob ich mich mit dem Grafikdesigner immer noch schmücken konnte, obwohl es schon vier oder fünf Jahre her war. sie gingen. wir bestellten, unterhielten uns. ein anderer Mann kam, verabschiedete sich von allen und und lud uns zu seinem Geburtstag ein. in zwei Monaten, gleicher Wochentag wie heute – zum Bingo. er sei der Spielmeister, immer. ich fragte mich, obs auch was zu essen gibt an seinem Geburtstag und ob Bingo eigentlich immer donnerstags stattfindet. aber diese Fragen stellte ich nicht laut.
noch bevor wir das erste Bier ausgetrunken hatten, beugte sich Jacky über die Theke. raspelkurze Haare, ein Glitzershirt. für mich sah sie aus wie eine Frau aus dem Osten Berlins. »der junge Mann da drüben gibt euch was aus.« C war ganz sprachlos. als Mann kannte er es nicht, eingeladen zu werden. ich war eine Frau und ich kannte es. ich sah es als Ausgleich dafür, dass man andauernd die Mundwinkel nach oben zog und um das Wohl der anderen mehr bedacht war, als um das eigene. das hört sich schlimmer an, als es war. ich war zufrieden, die meiste Zeit, aber ein Freigetränk konnte dem beschriebenen Geschlechter-Ungleichgewicht nicht schaden.
der junge Mann da drüben war Mitte 40, lehnte an einem Stehtisch in der Ecke direkt am Eingang. erst dachte ich, es sei ein Zugezogener, der die modischen Codes von heute spazieren führt. er trug eine Warnweste und eine Pilotenbrille. später sollte sich herausstellen, dass die Weste nur ein weiterer Rest von etwas war. genau wie der Spreizel in seinem Finger und die Geschichten, die er nicht ohne Hass über ›einen Fetten‹ und ›einen vom Bund‹ erzählte. »bloß weil der beim Bund war«, sagte er. er tat mir leid. er gab uns noch mehr aus. es warf mich zurück.
Abendessen mit Familie M. zu Ende warden die Männer wachsam, es ging darum als erster zu zahlen. GANZ HABE ICH DIESEN ZUSAMMENHANG NIE VERSTANDEN. IRGENDWAS MACHT DIESES FÜR ANDERE ZAHLEN MIT DEM SELBSTVERSTÄNDNIS EINES MANNES
wir tranken und unterhielten uns und bis auf ein kurzes Grüßen und Dank an den Neonfarben tragenden Mann, gab es keinerlei Interaktion mit unserem Gönner. er sprach mit der Bardame und wir sprachen mit uns. C ging aufs Klo. da kam der Gönner das erste Mal. er begann zu erzählen, von seiner dem Spreizel und der Robinie. er zeigte mir seine Hände: da ist der Spreizel. Drecksbaum, die Rupinie.
als ich seine Hände sah, wusste ich, dass die Warnweste ein Rest des Tages und kein Accesoire war. seine Hände sahen ganz anders aus als meine. er hatte fleischige Finger und dicke Haut und ein bisschen Erde gabe es auch noch in den Rillen der Haut. diese Hände sahen aus, als ob ihnen nichts weh tun konnte – außer einer Robinie.
C kam wieder. es fielen noch ein paar Worte, dann ging der Mann mit dem Spreizel in der Hand zurück an seinen Platz. wir unterhielten uns weiter und wetteten irgendwas. ich gewann. wir sprachen von Männern und von Frauen und über das sich messen und die Sache mit dem Zahlen. »es ist wie in Amerika«, sagte C über irgendwas. was wie in Amerika war, weiß ich nicht mehr.
nun kam es, dass er wieder aufs Klo verschwand. ich zog vorsichtshalber mein Notizbuch raus und begann zu schreiben, um nicht als Zuhörerin in Frage zu kommen. doch der Mann mit der Warnweste leiß nicht lange auf sich warten. er ignorierte mein fleißiges Notieren …
[TEIL 2 FOLGT]