221010 Bevor die

Erinnerung verblasst, sollte ich aufschreiben, dass ich in der Bar Populaire eine Frau traf, die genauso groß war wie ich. Mittlerweile ist das nicht mehr so besonders.

»Warum ich so groß bin? Weil ich deutsch bin.«
Je trouve ça drôle que les deux mecs sonst moins grands que nous.

Als ich genug franzöische Wörter aufgeschnappt habe, gelernt habe, dass T toxisch Substanzen liebt und dass der Ehering am Ringfinger sitzt und das irgendwas mit dem Namen zu tun hat, fahre ich heim, fahre einen Umweg. Ich sehe einen Motorradfahrer stürzen. Er wird auf dem freien Feld von einem Autoscooter ins Aus geschlagen. Er steht auf, richtet seinen eckigen Rucksack. Das gefährliche Leben der Essensausfahrer im Niedriglohnsektor.

Da wären wir wieder. Die Zeit ist vorbei, dass das noch interessant wäre. Worüber hatte S das gesagt? Und wo hast du deine Freundin gefunden?, frage ich B. Auf tinder haben sie sich gefunden (il fait pres-que trois ans). Der zierliche, kleine Mann mit dem Ufo auf dem Arm, hat ein Hemd an in der Farbe seiner Augen. Nein, das sage ich nicht. Nein, ich habe nicht gewechselt, ich mache bloß ein Erasmus. ›C‘est dur?‹ Die anfängliche Härte habe ich schon überwunden. Ein Streit (Ja! Un comat!) bricht aus. Den Streit gibt es überall, wie man zu etwas sagt. Sagt man Pain au Chocolat oder Chocolatine? Sogar in Kananda sagt man Chocolatine. Komme nach Hause, mache Philipp Hübels becachte Worte an zur Sprache – nicht das Wort ist es, sondern unsere Vorstellung, die Vorurteile dahinter. Chocolatine schreibt eine junge Frau in mein Buch.

Die Protagonistin läuft mit einem Notizbuch in der Hand durch die Welt und lässt Leute etwas hineinschreiben.

Auf dem Heimweg, als ich nach der Pont Neuf links abbiege, habe ich dieses Gefühl, das man nur auf Heimwegen hat, wenn man sich der eigenen Freiheit freut.

Ich atme tief ein.

Schreibe einen Kommentar